Raugasse 4 (verlegt 2014)
Familie Schneider
Gefangen im „Transit-Ghetto“ Rejowiec in Polen
Ernst Schneider, geboren am 1. 3. 1893 in Brünn,
Helena Hella Schneider, geboren am 4. 4. 1895 in Stanislau und Sohn Alfred, geboren am 26. 8. 1925 in Wien.
1938 Ausreise der Familie nach Brünn, Deportation am 31. März 1942 nach Theresienstadt und von dort am 18. April 1942 nach Rejowiec („Transit-Ghetto“). Ermordung bei den dort durchgeführten Exekutionen oder im nahen Vernichtungslager in Sobibor.
Ernst Schneider hatte nicht nur die Handelsakademie, sondern auch eine Schule für Elektrotechnik absolviert. Außerdem hatte er eine musikalische Ausbildung genossen und spielte Chello und Klavier. Beruflich war er als Beamter in der Kriegsgetreidegesellschaft tätig und arbeitete sowohl als Elektro-Kaufmann als auch in der Textilbranche.
Die Familie war vermutlich aus der Tschechoslowakei eingereist, wohnte dann in Wien im 20. Bezirk und übersiedelte 1930 nach Wiener Neustadt in die Gymelsdorferstraße 1. In den 1930er Jahren wohnte Ernst Schneider mit Frau und Kind in der Raugasse 4/7 und war als Kaufmann tätig.
1938 wollte Ernst Schneider ausreisen und gab gegenüber der Auswanderungsstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien ausführlich seine beruflichen Qualifikationen an, um die Aussicht auf eine Ausreise zu erhöhen. Ihm war jede Arbeit im Exil recht. Seine Ehefrau beschrieb er im Mai 1938 als „bilanzfähige Buchhalterin“, „selbständige Korrespondentin“ und „perfekte Köchin“. Über seinen Sohn, der zu diesem Zeitpunkt noch Schüler war, führte er damals aus, dass jener „sehr intelligent“ und „besonders geeignet für Nachhilfe“ sei.
Seine Bemühungen trugen keine Früchte und so verließ die dreiköpfige Familie Ende Juni 1938 Wiener Neustadt, um nach Wien (oder Brünn) zu ziehen. Tatsächlich gelang der Familie die Ausreise in die Tschechoslowakei, aber die weiteren Pläne einer Ausreise wurden nie Wirklichkeit. Denn alle drei wurden am 31. März 1942 von Brünn nach Theresienstadt deportiert und von dort am 18. April 1942 nach Rejowiec in Polen transportiert, wo ein Ghetto (ein sogenanntes „Transit-Ghetto“) und ein Zwangsarbeitslager bestanden. Wenn sie nicht dort – beispielsweise bei den durchgeführten Exekutionen – zu Tode kamen, dann wurden sie vielleicht in ein nahes Vernichtungslager, wie Sobibor, gebracht und ermordet. Ernst, Helena und Alfred wurden Opfer der Shoah.
Werner Sulzgruber