Neunkirchner Straße 52 (verlegt 2022)
Alfred und Ilka Beer
Der Sohn gerettet – die Eltern deportiert
Alfred Beer, geboren am 16. Jänner 1890 in Sergie, stammte aus der Nahregion Putilla (Czernowitz) im Westen der Bukowina. Die 1775 von Österreich-Ungarn okkupierte Bukowina war bis 1848 ein Teil des Königreiches Galizien-Lodomerien gewesen und 1849 ein selbstständiges Kronland geworden. Juden aus Galizien und der Bukowina wanderten zirka ab den 1880er Jahren vermehrt in das südliche Niederösterreich ein, verstärkt in den späten 1890er Jahren (wegen der Pogrome in Russland und der folgenden Flüchtlingsbewegung). Sie stellten im Vergleich zu den aus Westungarn kommenden Jüdinnen und Juden in Wiener Neustadt eine deutliche Minderheit innerhalb der jüdischen Gemeinde dar.
Alfred Beer heiratete Ilka Bauer, geboren am 28. Juli 1889 in Schwarzau, die einer westungarischen Familie entstammte. Ilka und ihre sechs Geschwister – allesamt in Schwarzau am Steinfeld oder in Wiener Neustadt geboren – waren in Wiener Neustadt aufgewachsen. Ihr Vater Ignaz verdiente als Händler und Hausierer den Lebensunterhalt für seine Familie; er ermöglichte es seinem einzigen Sohn, Leopold, das Studium der Rechtswissenschaften in Wien zu absolvieren. Die Töchter Hermine, Rosa, Ilka und Laura wohnten verehelicht in der Steinfeldstadt, während Margarete und Erna unverheiratet blieben. Wiener Neustadt bildete den Lebensmittelpunkt der gesamten Großfamilie Bauer.
Alfred und Ilka führten gemeinsam einen Gemischtwarenhandel in der Neunkirchner Straße 52. Am 18. November 1921 erblickte Sohn Kurt in Wiener Neustadt das Licht der Welt; er besuchte später die evangelische Volksschule.
Ilkas Bruder, Dr. Leopold Bauer, war ab Oktober 1938 der letzte Präsident der IKG Wiener Neustadt gewesen und hatte für zahlreiche Mitglieder der jüdischen Gemeinde versucht, Unterstützungen zu erreichen – sei es für finanzielle Nothilfen, für Ausspeisungen oder Ausreisen. Auch für die Familie Beer waren im Mai 1938 Ausreiseanträge gestellt worden, ohne Erfolg. Ilkas jüngste Schwestern, Margarete und Erna, konnten allerdings nach England emigrieren, was sich letztlich auch für Ilkas Sohn Kurt als hilfreich herausstellen sollte. Denn Kurt, der im gleichen Alter wie seine Cousine Irma, der älteste Tochter von Dr. Bauer, war, konnte zwar nicht wie jene früh mit Hilfe eines Schiffstransports für Jugendliche nach Palästina flüchten, aber Interventionen seiner beiden Tanten bewirkten, dass in der Folge auch für ihn eine Ausreise nach England sichergestellt werden konnte.
Die in Wien zurückgebliebenen Eltern, Alfred und Ilka, wohnten vorerst noch in der Unteren Augartenstraße 21 in Wien. Man deportierte beide am 19. Februar 1941 nach Kielce und sie wurden zu Opfern der Shoah.
© Werner Sulzgruber