Ungargasse 20 (verlegt 2012)

Anna Ribitz

Eine lästige Heimbewohnerin?

Anna Ribitz, geboren am 31.3.1894 in Lichtenwörth/Fondsgut, ledig, ohne Beruf. Am 12.11.1943 kam sie durch die Mordaktion des Dr. Gelny  ums Leben.

Anna Ribitz (rechts) mit ihrer Schwester

Anna Ribitz (rechts) mit ihrer Schwester

In der Silvesternacht 1929 irrte Anna Ribits (lt. Patientenakte) die ganze Nacht herum und wurde am nächsten Tag von der Polizei aufgegriffen. Im Gutachten des Gesundheitsamtes Wiener Neustadt heißt es: „selbstgefährliche Geisteskranke“, „bedarf der Aufnahme in eine geschlossene Anstalt“. Daraufhin erfolgte Ende Februar 1930 die Aufnahme in der Anstalt Mauer-Öhling. Die Patientin wurde dort als ruhig und geordnet bezeichnet. Dazwischen traten depressive Stimmungslagen auf. Nach drei Jahren wurde Anna Ribits als geheilt entlassen.

Drei Wochen nach der Entlassung stellte ein neuerliches Gutachten des Amtsarztes von Wiener Neustadt fest: „geistesgestört und gemeingefährlich“, „Abgabe in eine Anstalt erforderlich.“ Es folgte abermals die Einlieferung in die Anstalt Mauer-Öhling. Die Beurteilung im Pflegebericht weicht vom Gutachten ab: „redselig, spricht viel Unsinn, harmlos, fügsam, arbeitswillig, bei der Arbeit gut verwendbar.“ Der anfangs depressive Zustand besserte sich und zwei Jahre später wurde sie als „nicht anstaltsbedürftig“ entlassen.

Nach fünf Jahren war die Patientin auf Betreiben des Altersheimes und laut Gesundheitsamt Wiener Neustadt abermals „gemein- und eigengefährlich“ und „in eine Anstalt zu verschaffen“. Sie hatte angeblich im Heim gestritten und andere Heiminsassen bedroht.

Daraufhin erfolgte die Aufnahme in die Anstalt „Am Steinhof“ und zwei Tage später wurde Anna Ribits in die Anstalt in Mauer-Öhling verlegt. Die Beschreibung der Patientin ist ähnlich positiv wie einige Jahre zuvor. In der Anstalt sollte Platz für ein Reservelazarett geschaffen werden. Mit einem Räumungstransport im Februar 1943 wurde sie in die Heil- und Pflegeanstalt Gugging überstellt. Die Eintragungen im Pflegebericht lauten plötzlich ganz anders: „sehr lästig, ungeordnet, für keine Arbeit zu gebrauchen, stiehlt den anderen Essen weg.“

Sie wurde als „pflegebedürftig, gesundheitlich verödet“ beschrieben, magerte ab, wurde immer teilnahmsloser und starb am 12. 11. 1943.

Der Leiter der Anstalt, Emil Gelny, schrieb voll Stolz in einem Brief an den Gauhauptmann in Niederdonau Anfang Februar 1944, dass „durch seine Tätigkeit die Eliminierung mehr als 400 unheilbarer, den Staat in der jetzigen Situation schwer belastender Kranker in den letzten vier Monaten erfolgte“. Anna Ribits war eines dieser Opfer, die mit Medikamenten umgebracht wurden.

Anton Blaha