Ungargasse 20 (verlegt 2012)
Johanna Kraus
„Für Arbeit in der Anstalt nicht brauchbar“
Johanna Kraus, geboren am 24.5.1872 in Winzendorf, ledig, ohne Beruf.
Nach Aufenthalten in Steinhof und Mauer-Öhling wurde sie am 20.1.1940 als nicht anstaltsbedürftig entlassen. Bei einem neuerlichen Aufenthalt in Mauer-Öhling kam sie in den Strudel der Räumung der Anstalt und der Mordaktion des Dr. Gelny in Gugging, wo sie am 12.12.1943 ums Leben kam.
Die kleinwüchsige Frau (140 cm, 37 kg) wohnte privat am Corvinusring in Untermiete und arbeitet als Putzfrau. Wegen Schmerzen in den Beinen kam sie ins Sophienspital in Wien. Sie war der Meinung, sie wäre zu Unrecht eingeliefert worden und widersetzte sich den Anordnungen. Sie wurde deshalb in die Anstalt „Am Steinhof“ überstellt. Bei der Aufnahmeuntersuchung wurde die Patientin wie folgt beschrieben: „Ruhig, sehr gesprächig, zeitlich im Wesentlichen orientiert, Intelligenzfragen mehrheitlich prompt und richtig beantwortet. Auffallende Unbeweglichkeit im rechten Knie. Osteoporose.“ Eine knappe Woche später wurde Johanna Kraus nach Mauer-Öhling überstellt.
Das Ergebnis der Aufnahmeuntersuchung dort war ähnlich positiv wie in Steinhof. Es wurde auch vermerkt: „Verhält sich geordnet, mit allem zufrieden, kommt mit ihrer Umgebung gut aus.“ Am 13.10.1939 fiel die Entscheidung „nicht anstaltsbedürftig – kann in Altersheim entlassen werden.“ Die Patientin konnte die Überstellung kaum erwarten. Am 20.1.40: wurde sie „als nicht anstaltsbedürftig“ entlassen und das Amtsgericht Amstetten entschied: „eine weitere Anhaltung in einer geschlossenen Heilanstalt ist nicht zulässig.“
Johanna Kraus wurde im Altersheim in der Ungargasse aufgenommen. Ein amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes Wiener Neustadt Anfang 1943 führte an: „Belästigt die Ämter, … bettelt auf der Straße, redet unsinniges Zeug.“ Anstaltsaufenthalt notwendig? „ja“, Vorschlag: „Mauer-Öhling“. Die Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling erfolgte am 23.2.1943 und nur eine Woche später wurde die Patientin in die Anstalt Gugging übersetzt, weil Mauer-Öhling großteils geräumt werden musste. Eintragungen im Pflegebericht der Anstalt in Gugging: „Oft weinerliche Stimmung, schreibt oft an Bekannte und bittet diese, dass sie von ihnen abgeholt wird, pflegt sich selbst.“ – „in der Arbeit nicht brauchbar“, „sieht sehr schlecht“ – „geordnet, rein und nett, verträglich und gutmütig, ist schon schwach und schwerfällig.“
Anfang Dezember 1943 erkrankte Johanna Kraus an einer Darmentzündung und verstarb am 12.12.1943 an „Altersschwäche“.
Der Tod fielt in den Zeitraum, über den Dr. Gelny voll Stolz in einem Brief an den Gauhauptmann berichtete: „Schließlich sei durch meine Tätigkeit die Eliminierung von mehr als 400 unheilbarer, den Staat in der jetzigen Situation schwer belastender Kranker in den letzten 4 Monaten erfolgt, und die Herren [in Berlin, Anm.] hatten das größte Interesse, daß ich in meiner Tätigkeit nicht lahmgelegt werde.“ Johanna Kraus war eines dieser mehr als 400 Opfer.
Anton Blaha