Kollonitschgasse 12 (verlegt 2011)
Berta Reininger
Das Ende einer Großfamilie
Berta Reininger, geb. Kerpel, geboren am 8. oder 9.4.1867 in Mattersdorf (Mattersburg), verwitwet, wurde am 5.1.1943 von Wien nach Theresienstadt deportiert und kam dort am 20.8.1944 ums Leben.
Berta Reininger, geborene Kerpel, wurde in Mattersdorf geboren. Sie war mit Wilhelm Reininger verheiratet, der schon 1921 verstarb. Sie hatten vier Söhne und drei Töchter.
Berta wohnte bei ihrem Sohn Hugo und dessen Familie in der Kollonitschgasse 12.
Hugo besaß eine Weinhandlung und eine Schnapsbrennerei. In Wiener Neustadt war er eine bekannte und angesehene Persönlichkeit. Innerhalb der jüdischen Gemeinde hatte er wichtige Funktionen. Er war für mehrere Jahre – mit kurzer Unterbrechung – im Ausschuss der jüdischen Kultusgemeinde (IKG) tätig, und ab 1936 wurde er der letzte Präsident (Vorstand) der Kultusgemeinde.
Die mittlere seiner drei Töchter hieß Therese. Sie heiratete in Baden Heinrich Reininger, dessen Vater Israel der Bruder von Wilhelm, Bertas Ehegatten, war. Therese und Heinrich wohnten nach ihrer Hochzeit in Neunkirchen und bekamen zwei Töchter, Trude und Martha.
Während Martha im Dezember 1938 mit 19 Jahren in Jugoslawien auf einem illegalen Schifftransport nach Palästina gestoppt, dann von den Deutschen an einen unbekannten Ort verschickt und letztlich ermordet wurde, konnte Trude überleben. Sie hatte die Möglichkeit, ein halbes Jahr vor dem Ausbruch des Krieges als Dienstmädchen nach England zu kommen und dort zu arbeiten.
Trude erzählt, dass die Familie von Hugo Reininger ein Kinderfräulein hatte, das nationalsozialistisch eingestellt war, was aber erst bei einer dramatischen Situation herauskam. Kurz nach dem Anschluss, als die Nazis in Aufmärschen durch die Straßen zogen, stellte das Kindermädchen die beiden Kinder von Hugo, Wilhelm (11) und Kurt (6), auf das Fensterbrett des offenen Fensters in der Kollonitschgasse 12 und sagte zu ihnen: „Bürscherl, schreit’s Heil!“, worauf die Eltern das Kinderfräulein entlassen mussten.
1942 wollten Heinrich und Berta, Elisabeth und Siegfried gemeinsam mit ihrer Mutter illegal über die Grenze nach Ungarn. Aufgrund des hohen Alters der Mutter kamen sie aber nur langsam voran. Der Fluchthelfer schlug deshalb vor, sie unterwegs im Wald zu verstecken und sie dann nachzuholen. Als er zurückkam, fand er sie nicht mehr vor. Sie war vermutlich entdeckt und nach Wien zurückgebracht worden.
Sie wurde am 05.01.1943 von Wien aus nach Theresienstadt deportiert und kam dort am 20.08.1944 ums Leben.
Heinrich und Berta, sowie Elisabeth und Siegfried kamen nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Ungarn in ein Arbeitslager. Heinrich und Berta überlebten bis zur Befreiung durch die Rote Armee und konnten 1946 zu ihrer Tochter Trude nach England ausreisen. Elisabeth und Siegfried wurden ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert, wo sie ebenfalls überlebten.
Ihre Enkelin Trude (heute Trude Bibring) lebte bis vor wenigen Jahren in Israel in Netanya am Meer und war ihres Wissens nach wahrscheinlich die einzige, die von der großen Reininger-Familie noch übrig blieb.
Helmuth Eiwen, nach einem Interview mit Trude Bibring (Enkeltochter von Berta Reininger) und ergänzt nach „Lebenslinien“ von Werner Sulzgruber.