Baumkirchnerring 5 (verlegt 2011, Rosa 2022)
Familie Müller
Sohn Paul war Schüler des heutigen BRG Gröhrmühlgasse
Lazar Müller, geboren am 22.11.1897 in Nádas,
Paul Müller, geboren am 29.4.1927 in Wiener Neustadt, Schüler,
Wolfgang Müller, geboren am 5.3.1929 in Wiener Neustadt,
Ruth Müller, geboren 20.3.1930 in Wiener Neustadt, Schülerin, und
Kurt Müller, geboren 12.1.1935 in Wiener Neustadt.
Die Familie floh offensichtlich nach Bratislava und wurden Opfer der Shoah.
Ab dem Zeitpunkt ihrer Heirat im Jahr 1924 lebten Lazar Müller, geboren am 22. November 1897 in Nádas, und Rosa Kurzweil, geboren am 24. Februar 1897 in Pirnitz, in Wiener Neustadt in der Herrengasse 22. Lazar Müller war Uhrmachermeister und seine Gattin Rosa Modistin (Hutmacherin). Das Ehepaar führte gemeinsam einen Betrieb in der Herzog-Leopold-Straße 30. Lazar reparierte und verkaufte hier Uhren, aber auch Gold- und Silberwaren. Rosa stellte als Modistin unterschiedliche Hutkreationen her und bot außerdem diverse Pelzwaren an. Lazar Müller engagierte sich neben seinem Beruf innerhalb der IKG Wiener Neustadt und war von 1927 bis 1929 Mitglied im Kultusausschuss. Mit ihren in Wiener Neustadt zur Welt gekommenen Kindern – Paul (*1927), Wolfgang (*1929), Ruth (*1930) und Kurt (*1935) – zog Familie Müller 1935 an den Baumkirchnerring 5, wo sie nun offenbar eine größere Wohnung gefunden hatte.
Der älteste Sohn Paul besuchte in unmittelbarer Nähe des elterlichen Betriebs ab 1937 die „Bundesreal- und Bundesoberrealschule in Wiener Neustadt“ (heute: BRG Gröhrmühlgasse) in der Herzog-Leopold-Straße 32. Er zeigte sich hinsichtlich seiner Leistungen als durchaus fleißiger Schüler, denn er wurde in fast allen Gegenständen mit der Note „Gut“ beurteilt. Seine jüngere Schwester Ruth besuchte den Unterricht ab 1936 an der „Jubiläumsschule-Mädchen-Volksschule“ am Baumkirchnerring.
Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde der Handwerks- und Handelsbetrieb der Familie Müller „arisiert“, also den jüdischen Eigentümern entzogen. Die Kinder Paul, Wolfgang und Ruth schloss man aus dem neu organisierten NS-Schulsystem aus, sie wurden „ausgeschult“ .
Da der Mietvertrag der sechsköpfige Familie nicht verlängert wurde, hatte sie Ende September 1938 ihre Wohnung zu räumen und musste für ein paar Wochen in einer kleinen Unterkunft in der Wassergasse 24 bleiben. Nachdem das Geschäft von der kommissarischen Leitung „liquidiert“, also aufgelöst worden war, übersiedelte die Familie nach Wien in die Leopoldsgasse 16 im zweiten Bezirk, wo sie sich bis 29. Oktober 1938 aufhielt.
Lazar Müller wollte mit seiner Frau und den Kindern nach Palästina oder in die USA auswandern, entschied sich aber wahrscheinlich zur Flucht nach Bratislava. Dann verlor sich vorerst ihre Spur. Am 11. April 1942 wurde die Familie in einem sogenannten „Familientransport“ nach Lublin deportiert. Von dort kamen Vater Lazar und Sohn Paul nach Majdanek, wo der Vater ermordet wurde. Dieses Schicksal ereilte auch Paul, der ins KZ Auschwitz überstellt worden war, am 4. Juli 1942. Alle Mitglieder der Familie Müller, also auch Mutter Rosa, kamen in der Shoah um.
Werner Sulzgruber
Bei den 5 Gedenksteinen für die Familie Müller handelt es sich um „Stolpersteine des BRG Gröhrmühlgasse“ – also von Eltern, Schülern und Lehrern des BRG finanzierte „Stolpersteine“.
Die jüdische Familie Müller wurde deshalb als Opfer des Nationalsozialismus für das Projekt „Stolpersteine für Wiener Neustadt“ ausgewählt, weil Paul Müller ein Schüler des BRG Gröhrmühlgasse, einst „Bundesreal- und oberrealschule in Wiener Neustadt“, gewesen war.