Wassergasse 9 (verlegt 2011)
Emma Poppinger
Ermordet in der Heilanstalt.
Geboren 19.12.1907, Wiener Neustadt, ledig.
Am 25.7.1939 Bezirksaltersheim in der Ungargasse in Wiener Neustadt, am 10.7.1941 Einlieferung in die Heil- und Pflegeanstalt in Gugging und am 4.4.1943 ums Leben gekommen.
Emma Poppinger war von Geburt an behindert. Sie wuchs bei ihren Eltern in der Wassergasse Nr. 9 auf. 1926 starb ihr Vater. 1939 kam sie als Pflegling in das Bezirksaltersheim in Wiener Neustadt, Ungargasse 20. Die viel zu kleine Einrichtung war aber für Pflegefälle kaum geeignet.
1941 wurde Emma Poppinger mit vier weiteren Heimbewohnern in die Heil- und Pflegeanstalt Gugging verlegt. In den Krankenakten wird sie mit „ruhig, harmlos“, „pflegt sich gut“, „hält sich rein“ und „ist mit allem zufrieden“ beschrieben. Es ist aber immer wieder „zu keiner Arbeit verwendbar“ angemerkt – eine gefährliche Feststellung in einer Zeit wo „unnütze Esser“ eliminiert wurden.
Inzwischen zeigte auch die Hungerkost, die in allen Pflegeanstalten zentral eingeführt wurde, volle Wirkung. Emma Poppinger, die mit 53 kg Körpergewicht überstellt wurde, magerte immer mehr ab. Im September 1942 hatte sie nur mehr 32 kg. Inzwischen war auch ihre verheiratete Schwester als Vormund bestellt worden.
Anfang 1943 wurde Emma Poppinger auf die Infektionsabteilung verlegt. Dort durfte sie ihre Schwester nicht mehr besuchen, weil „eine ansteckende Krankheit ausgebrochen“ war, wie die Schwester in einem Brief erfuhr. Sie versuchte es mehrmals erneut. Jedesmal eine abschlägige Antwort der Anstalt – bis Emma Poppinger ums Leben gekommen war.
Was war geschehen? Zu Beginn des Jahres 1943 waren die Pflegeanstalten heillos überfüllt. Auch Gugging hatte keinen Platz mehr. Trotzdem ließ die Zentrale in Berlin innerhalb eines Monats insgesamt fast 300 Pfleglinge von Mauer-Öhling nach Gugging transportieren. Die Anstalt Gugging wurde damit gezwungen, Patienten zu eliminieren.
Der Anstaltsarzt Dr. Karl Oman sagte im Volksgerichtsverfahren gegen Bedienstete der Anstalten Gugging und Mauer-Öhling am 19.6.1948 aus (auszugsweise): „Dr. Rudolf Lonauer [medizinischer Leiter der Tötungsanstalt Hartheim und der Anstalt in Niedernhart] und zwei Begleiter waren vom 28.3. bis 8.4.1943 in Gugging. Dr. Lonauer war die ganze Zeit in der Anstalt und wohnte auch dort. Man sprach von einer ‚Typhusepidemie‘ im Infektionshaus. Mir war es zwei bis drei Wochen lang verboten, dieses zu betreten. In der Zeit verstarben insgesamt 112 Patienten im Infektionshaus.“
Emma Poppinger verstarb am 4.4.1943 an „plötzlicher Herzschwäche“ (eine der zentral von Berlin vorgegebenen Todesursachen in „Euthanasie“-Fällen).
Am Schicksal von Emma Poppinger sehen wir viele Facetten der sogenannten „wilden Euthanasie“, der dezentralen Anstalts-Euthanasie – in den Anstalten ausgeführt, aber von der Zentrale in Berlin und der Gauleitung in Niederdonau und anderen Verwaltungsstellen gelenkt.
Anton Blaha