Herzog Leopold-Straße 28 (verlegt 2010)
Paul Johannes Schlesinger
Tod eines Nationalratsabgeordneten
Geboren am 9.7.1874 in Wien, verheiratet.
Im September 1944 Verhaftung, Deportation ins KZ Auschwitz und weiter ins KZ Groß-Rosen, wo er im Februar 1945 ums Leben kam.
Geboren 1874 in Wien, erlernte Schlesinger den Beruf eines Feinmechanikers. Nach Jahren der Wanderschaft, immer auf der Suche nach Arbeit, kehrte er 1905 nach Wien zurück. Er hatte schon in jungen Jahren Gelegenheit, die damals noch entwürdigenden Arbeitsbedingungen der Industriearbeiter kennen zu lernen. Von den Ideen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angezogen, wurde er in dieser schon bald zum Sprecher der damals noch jungen Gewerkschaften.
Bereits 1911 entsandte man ihn als Sekretär des Metallarbeiterverbandes nach Wiener Neustadt, der Stadt, der er dann Zeit seines Lebens verbunden blieb. Schlesinger wurde wegen politischer Betätigung durch die Behörden der Monarchie immer wieder verfolgt. 1907 avancierte er zum Obmann der Badener Gebietskrankenkasse. 1911/1912 war er gewerkschaftlicher Vertrauensobmann für die Bezirke Mödling, Baden und Wiener Neustadt.
Eine Verwundung befreite ihn 1916 vom Kriegsdienst. Unmittelbar danach nahm er seine Tätigkeit in Wiener Neustadt wieder auf und war 1918 aktiv am historischen Jännerstreik beteiligt. Seine politische Aktivität bewirkte, dass er 1921 in den NÖ Landtag einzog. Im März 1926 wechselte Schlesinger in den Nationalrat, dem er bis zum Februar 1934 angehörte. Sein Kampf für die arbeitende Bevölkerung war unermüdlich und furchtlos. Verhaftungen im Jahre 1934 und 1938 durch diktatorische Regime vermochten seinen Freiheitswillen nicht zu beugen. Schlesinger verbrachte 1934 mehrere Monate im Anhaltelager Wöllersdorf. Als man ihn im Juli 1934 wieder entließ, sprach man ein Aufenthaltsverbot für Wiener Neustadt aus.
Auch die neuen Machthaber fürchteten ihn. Am 25.10.1938 wurde er von der Gestapo wegen Verdachts der staatfeindlichen Betätigung verhaftet. Schlesinger kam am 26.5.1939 wieder frei. Anläßlich des Anschlages auf Hitler wurde Schlesinger im Zuge der allgemeinen Verhaftungswelle am 1.9.1944 neuerlich in Haft genommen. In dem mittlerweile 70-jährigen sahen die dem sogenannten „Endsieg“ zusteuernden Machthaber noch immer eine Gefahr. Am 19.9.1944 wurde Schlesinger in das Konzentrationslager Auschwitz überstellt.
Beim Herannahen der sowjetischen Truppen kurz vor Kriegsende wurde das Lager geräumt und die Häftlinge in das für die Nazis noch sicher geltende KZ Groß-Rosen transportiert. Nach Augenzeugenberichten soll Schlesinger die Strapazen des Transportes nicht ausgehalten haben und soll im März oder April 1945 gestorben sein. Nach anderen Angaben kam er im KZ Groß-Rosen ums Leben.
Am 13. Juni 1969 wurde die städtische Wohnhausanlage Kammangasse / Dietrichgasse, in der Schlesinger jahrelang wohnte, „Paul-Johannes-Schlesinger-Hof“ benannt, und der damalige Bürgermeister Barwitzius enthüllte dort eine Marmortafel, die seinem Andenken gewidmet ist.
Paul Johannes Schlesinger ist zusammen mit elf weiteren Nationalratsabgeordneten, die Opfer des NS-Regimes wurden, auf der Gedenktafel am Parlament verewigt.
Anton Blaha