Singergasse 15 (verlegt 2014)

Familie Grünwald

Beraubt – vertrieben – deportiert

Otto Grünwald, geboren am 1. 5. 1883 in Wiener Neustadt, Prokurist der väterlichen Firma,
Olga Grünwald, geborene Seinfeld, am 26. 2. 1901 in Wiener Neustadt und
Sohn Erich, geboren am 19. 12. 1921 in Wiener Neustadt.
Die Familie flüchtete nach Frankreich, wurde dort interniert, am 16. September 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Otto Grünwald arbeitete in der Firma des Vaters („Kleng-Anstalt für Waldsamen A. Grünwald Wr. Neustadt“), war dort Prokurist und wurde nach dem Tod des Vaters im September 1920 Inhaber des Betriebes. Im April 1920 heiratete er Olga Seinfeld und zog mit ihr ins eigene Haus in der Waxriegelgasse 8.

Otto war als Samenhändler und Seifenfabrikant tätig. Die Klenganstalt (Gewinnung der Waldsamen aus den Baumzapfen), befand sich in der Haidbrunngasse 38. Gemeinsam mit seiner Gattin führte er auch die „Wr. Neustädter Seifenfabrik u. Samenhandlung Grünwald & Co“. Im fabrikmäßigen Betrieb in der Singergasse 15 wurden Kerzen, Parfümerie- und Toiletteartikel hergestellt und wurden dort auch direkt verkauft. Zu den Betrieben gehörten noch zwei Handelsgeschäfte und zwei weitere betriebliche Einrichtungen.

Die Geschäfte der Familie Grünwald liefen in den 1930er Jahren sehr gut. Das Unternehmen unterhielt Handelsbeziehungen in Europa (z. B. nach Italien und Frankreich), aber auch nach Amerika (z. B. in die USA und nach Argentinien) und Australien.

1921 war Sohn Erich geboren worden. Er besuchte nach der Volksschule ab 1931 das Bundesgymnasium, das er schon 1937 im Alter von 15 Jahren verfrüht verließ. 1928 war die kleine Familie in die Singergasse 15 umgezogen, an den Produktionsstandort der Seifenfabrik. 1938 musste das Unternehmen geschlossen und die Wohnung in der Singergasse geräumt werden. Anfang September 1938 zog die Familie an den Domplatz 12.

Otto hatte die Hoffnung, aus heutiger Sicht die Illusion, für seinen Betrieb eine hohe Summe Geldes zu erhalten. Er wollte mit seiner Familie in eines der Länder ziehen, zu denen die Firma Grünwald Handelsbeziehungen gepflegt hatte. Aber die Firma Grünwald wurde längst kommissarisch verwaltet und das Ehepaar hatte seinen Zugriff auf das Vermögen verloren.

Offiziell verlegte Otto Grünwald seinen Wohnsitz am „30.11.38“, laut den vorliegenden Meldeunterlagen, nach Wien, Lassingleithnerplatz 1/9, tatsächlich wurde die Familie jedoch zur Zeit des Novemberpogroms aus der Stadt vertrieben. Die dreiköpfige Familie glaubte in Frankreich vor der Verfolgung sicher zu sein und flüchtete in den Westen. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden sie aber von den Ereignissen eingeholt. Die Deutsche Wehrmacht besetzte einen Teil Frankreichs. Juden und Jüdinnen wurden verhaftet und gesammelt. Die Familie Grünwald wurdeam 16. September 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Werner Sulzgruber