Wienerstraße 9 / Herrengasse 2 (verlegt 2014)
Familie Löbl
Ein gewaltsamer Tod im fernen Estland
Gustav Löbl, geboren 12. 3. 1880 in Raudnitz/Elbe, Böhmen,
Alice Löbl, geborene Silberstern, am 1. 5. 1894 in Teplitz-Schönau, Böhmen und Sohn Kurt, geboren am 31. 8. 1922 in Wien.
Die Familie ging nach Brünn und wurde nach Theresienstadt deportiert. Mit einem weiteren Transport am 1. September 1942 kam sie nach Raasiku in Estland, wo sie im Zuge einer Massenerschießung ermordet wurde.
Gustav Löbl kam 1910 von Wien nach Wiener Neustadt und war Prokurist der Allgemeinen Verkehrsbank in Wiener Neustadt. Er heiratete zirka 1921 Alice Silberstern. 1936 zogen beide an die Adresse Wienerstraße 9, wo auch die Geschäftsstelle der Allgemeinen Verkehrsbank war. Gustav Löbl war dort inzwischen zum Bankdirektor aufgestiegen.
Sohn Kurt besuchte ab 1932 das Bundesgymnasium. Er erhielt 1938 sogar noch ein Jahreszeugnis und die sogenannte Abgangsklausel am 2.Juli 1938. Wahrscheinlich hatten die Eltern die „Ausschulung“ ihres Sohnes noch abgewartet. So verließ die Familie Ende Juli bzw. am 1. August die Stadt mit dem Ziel, nach Brünn zu gehen.
Was in den nächsten drei Jahren geschah und wie das Schicksal der Familie in diesem Zeitraum verlief, wissen wir nicht. Dokumentiert ist, dass die gesamte Familie am 28. Jänner 1942 von Brünn nach Theresienstadt deportiert wurde, von dort am 1. September 1942 nach Raasiku in Estland gebracht und ermordet wurde. Der Transport, der eigentlich nach Riga hätte gehen sollen, hatte am 5. September den neuen Zielort erreicht. Am Bahnhof unterzog man die rund 1.500 Juden und Jüdinnen einer „Selektion“, in der Arbeitsfähige von den anderen getrennt wurden. Der Großteil der Menschen wurde mit Bussen in den Raum Jägala bzw. Kalevi-Liivi an der Ostsee gebracht, musste sich dort entkleiden und wurde erschossen. Darunter befand sich höchstwahrscheinlich die Familie Löbl aus Wiener Neustadt, die die Shoah nicht überlebte.
Werner Sulzgruber