Ungargasse 20 (verlegt 2012)
Hermann Hackel (Hackl)
Als arbeitsscheu abgestempelt
Hermann Alfred Hackel (Hackl), geboren am 30.3.1897 in Wiener Neustadt, wurde am 10.7.1941 mit einem Transport in die Heil- und Pflegeanstalt Gugging überstellt und kam dort im Rahmen der Mordaktion des Dr. Gelny am 7.1.1944 ums Leben.
Hermann Hackel war 146 cm groß, wog 47 kg, war kleinwüchsig und hatte einen Höcker. Seine Umgebung machte sich darüber lustig. Der gelernte Bäcker hatte 10 Jahre in seinem Beruf gearbeitet, wurde wegen „Knochenkaries“ an der Hand beschäftigungsunfähig. Trotz wiederholter Nachfragen beim Arbeitsamt blieb er arbeitslos und wurde als „arbeitsscheu“ hingestellt. 1940 kam er in das Bezirks-Altersheim in der Ungargasse.
Am 10.7.1941 ging über Veranlassung des Reichsstatthalters in Niederdonau ein Transport mit 5 Heiminsassen in die Heil- und Pflegeanstalt in Gugging (Erlass IIIb-3-310-6/8-1941 vom 6. Juni 1941). Hermann Hackel war einer der Abtransportierten.
Die Eingangsuntersuchung in Gugging führte an: „In jeder Richtung orientiert, spricht artikuliert, gibt willig Auskunft, 8 Jahre Schulbesuch, verfügt über entsprechendes Schulwissen, über aktuelle Tagesfragen informiert, liest Zeitung.“
Davor war das Gesundheitsamt in Wiener Neustadt anderer Meinung: „leidet an Geistesschwäche, ist anstaltsbedürftig“, das Amtsgericht Klosterneuburg ebenso: „der Angehaltene ist geisteskrank“, „die Anhaltung in einer geschlossenen Anstalt ist zulässig“. Dieser Beschluss wurde mehrmals verlängert.
Der Aufenthalt in der geschlossenen Anstalt zeigte Wirkung. Er wurde depressiv, teilnahms- und interessenlos, saß untätig herum, war wenig zugänglich. Dann ging er wieder täglich arbeiten, es gab keinen Anstand. Ein Vermerk in der Pflegegeschichte: „Er will wieder ins Altersheim zurück, da gehe es ihm besser, er sei wegen der Arbeitsunfähigkeit ins Altersheim gekommen, er war nie geisteskrank.“
Dann der weitere Verfall: „Steckt Mist und Unrat in die Taschen, lässt Speisereste darinnen verderben, hält nichts auf Reinlichkeit.“ „Abgestumpft, sitzt teilnahms- und interesselos herum.“
Ende 1943 war Hermann Hackel hochgradig abgemagert und bettlägerig. Anfang 1944 erkrankte er an Lungenentzündung, an der er am 7.1.1944 verstarb.
Krankheitsverlauf und Todesursache sind typisch für die „Wilde Euthanasie“ und für die Ermordung der Pfleglinge durch Medikamente, die Dr. Gelny voll Stolz in einem Brief an den Gauhauptmann berichtete: „Schließlich sei durch meine Tätigkeit die Eliminierung von mehr als 400 unheilbarer, den Staat in der jetzigen Situation schwer belastender Kranker in den letzten 4 Monaten erfolgt, und die Herren [in Berlin, Anm.] hatten das größte Interesse, daß ich in meiner Tätigkeit nicht lahmgelegt werde.“
Anton Blaha